Der Wiler Stadtrat hat das Programm für einen Architekturwettbewerb zum Bau eines Primarschulhauses mit Turnhallen und Tagesstruktur genehmigt. An der Schillerstrasse im Westquartier soll dringend benötiger Schulraum für 18 Klassen bereit gestellt werden. Die Bauparzelle wird heute als landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet.
Die Ausschreibung des Projektwettbewerbs erfolgt im selektiven Verfahren. In den Ausschreibungsunterlagen ist lediglich der Gegenstand beschrieben: „Mit der Primarschule Schillerstrasse soll für den Schülerzuwachs der nötige Raum geschaffen und die bereits bestehenden Provisorien abgelöst werden. Die Schulanlage soll für maximal 18 Klassen Platz bieten und flexibel auf pädagogische Anforderungen reagieren können. Eine Aula, Tagesstruktur sowie eine Doppelturnhalle Typ B mit den entsprechend notwendigen Aussenanlagen werden an dem Standort benötigt. Das Schulhaus soll in Clustern organisiert sein.“
Weiter wie bisher?
Damit beschreitet die Stadt Wil bei der öffentlichen Ausschreibung einen ähnlichen Weg wie beim Schulhaus Langacker oder dem Werkhof. Das erste Projekt hat in der parlamentarischen Diskussion viel zu reden gegeben. Der Kredit für das Werkhofprojekt wurde von der Stimmbevölkerung abgelehnt, obwohl das Parlament sich fast geschlossen für das Projekt ausgesprochen hatte.
Aus der Mitteilung der Stadt Wil zum Projektwettbewerb Neubau Primarschulhaus Schillerstrasse oder den Ausschreibungsunterlagen aus simap.ch geht nicht hervor, welche Lehren der Stadtrat aus den früheren Verfahren gezogen hat und was er bei der Projektierung des Primarschulhauses anders angehen will. Auch zur Vorstellung des Stadtrats bezüglich der künftigen Entwicklung des Westquartiers oder gar ein Bezug zu WilWest wurde nicht kommuniziert.
Wenn sich das Parlament und die Öffentlichkeit erst dann zum Projekt äussern können, wenn das fertige Projekt vorliegt, dass ist schon viel Geld ausgegeben worden und ernsthaft vorgebrachte Anliegen aus dem Quartier und der Stadt können erfahrungsgemäss kaum mehr in der Projektierung berücksichtigt werden. Das gängige Mittel für den Einbezug von Anliegen aus der Bevölkerung sind Mitwirkungsverfahren. Ernsthaft verstandene Mitwirkung muss zu Beginn einer Projektierung spezifisch organisiert werden und auf die Gegebenheiten im Umfeld des Vorhabens abgestimmt sein.
Mitwirkung wäre jetzt angezeigt
Ein Projekt für ein Quartierschulhaus mit Schulraum für 18 Klassen, einer Doppelturnhalle und Infrastrukturen für eine Tagesstruktur ist kein Thema, das nur die Schule betrifft. Das Vorhaben hat eine Grösse, die auch für die Quartier- und damit auch für die Stadtentwicklung von Bedeutung ist.
Neben der klaren Vorstellung über den aktuellen und künftigen Schulraumbedarf im Westquartier stehen verschiedene Fragen im Raum, die es wert sind, vor der Veranstaltung eines Architekturwettbewerbs offen diskutiert zu werden:
- Gemäss welchen Nachhaltigkeitsstandards soll die Schulanlage gebaut werden? Wird die neue Schulanlage erweiterbar sein? Entstehen Liegenschaften in klimafreundlicher Holzbauweise? Wieviele Bäume sollen auf dem Areal gepflanzt werden?
- Was ist das Einzugsgebiet der Schulanlage und kommen die Schüler:innen auf attraktiven, direkten und sicheren Fuss- und Velowegen in die künftige Schule?
- Welche Massnahmen sind auf der Zürcherstrasse notwendig, damit der Strassenlärm den Schulbetrieb nicht beeinträchtigt?
- Wie wird die Schulanlage in der schulfreien Zeit genutzt werden, zum Beispiel als Spielplatz für die Kinder und Jugendlichen im Quartier?
- Sind in oder an der Schulanlage auch nicht-schulische Nutzungen möglich, wie beispielsweise ein Coworking Space, eine Quartierwerkstatt oder ein Quartierbüro?
- Für welche Bevölkerungszahl (im Westquartier) wird die Schulanlage gebaut? Gemäss Agglomerationsprogramm soll allein im Gebiet Lenzenbühl Wohnraum für mindestens 700 Einwohnende geschaffen werden. Auf dem Areal Klink Ost ist eine weitere für Wiler Verhältnisse grosse Überbauung geplant.
- Nach welchen Kriterien werden die Fraktionen des Stadtparlaments das Projekt dereinst beurteilen? Wie kann diesen Kriterien bereits in der Planungsphase Rechnung getragen werden?
- Diese und weitere Fragen zur Entwicklung des Westquartiers im Allgemeinen und zum Projekt Neue Primarschule Schillerstrasse im Speziellen sollten jetzt breit diskutiert werden.
Und zuletzt noch dies. Der Name „Primarschule Schillerstrasse“ mag für den Architekturwettbewerb zweckmässig sein. Ein Strassenname als Name für ein neues Schulhaus taugt aber nicht. Vielleicht könnte man sich bei der Namensgebung an Friedrich Schiller orientieren.